L'autre et moi
Diesen sehr einzelgängerisch versonnenen Stil hat Anna Huber nun einem ganz fremden, ganz anderen Bewegungsbild gegenüber gestellt. Gemeinsam mit Lin Yuan Shang, einem in der Tradition der Pekingoper geschulten, nunmehr seit Jahren schon in Paris lebenden Taiwan-Chinesen, ist das Duo „L’Autre et moi“ entstanden. Es sollte eine Konfrontation zweier völlig unterschiedlicher Kunstauffassungen sein, ein ästhetisches Experiment, ein keineswegs multi-kulti-modisches Abenteuer des Anderen. Die beiden setzten sich während der Probenphase immer wieder fremder, unvertrauter Umgebung aus, damit sich keinerlei Gewöhnung einstelle. Alles Ergebnis sollte von der Arbeit am Anderen zeugen. Herausgekommen ist bei diesem Projekt eine phänomenale Skizze dessen, was zwei gegensätzlichen Körperbildern gemeinsam möglich ist.
Schemenhaft bleiben beide zunächst im fahlen Lichtkegel an der nackten Rückwand. Kleinste, kaum wahrnembare Bewegungen irritieren den Betrachter mehr, als dass sie ihm irgend etwas zeigten. Feines elektronisches Knistern und Grollen setzt eine unbestimmte Stimmung. Nach und nach werden ihre Regungen deutlicher: eigenartige Greif-, Schreit- und Stelzbewegungen, manchmal synchron, manchmal spiegelgleich, manchmal völlig unverbunden. Es wird fast ein halbe Stunde dauern, bis die beiden ungleichen Partner – sie schmal und zartgliedrig, er stämmig und standfest – sich erstmals gefährlich nahekommen. Aber auch dann bleiben sie sich fern, einander buchstäblich entrückt. Gemeinsam isat ihnen nur das Instabile: kaum eine Bewegung, die nicht ein verstörtes Ende nähme, kaum ein Impuls, der sich einfach entlädt. Statt dessen knickt immer ein Gelenk ein, rollt der Kopf zur Seite oder verhakeln sich die Beine. Ganz ohne dramatischen Überbau, sondern einzig aus der Bewegung selbst entsteht so ungemein suggestive Spannung. „L’Autre et moi“ ist ein beiläufig wirkendes Meisterwerk lakonischer Bewegungsintensität.