Schattenriss und Stroboskop
Das japanische Künstlerkollektiv Dumb Type zeigt "MemoRandom" in der Arena
Mit überraschend theatralem Pathos führt "MemoRandom" daher Menschen als Teil jener diffusen Informationsflut vor, wie sie durch Programme und Gehirne gleichermaßen dahinrauscht. Wo alle Wirklichkeit zerstückt wird, um neu formatiert als Bild bzw. Bit auf Projektionsschirme (z. B. die halbtransparente Bühnenrückwand) geworfen werden zu können, müssen auch Menschen zu flachen Schattenrissen werden, die sich unter Stroboskoplichtgewitter in die Videoschirme einbrennen. Und das Ding an sich – Stuhl, Krug, Tür, Haus –, wie Rilke und Heidegger ihm hingegeben huldigten, wird zum torkelnden, nur virtuell erschaffenen Leinwand-Objekt, zum fahlen Abglanz eines Gewesenen. Ebenso ist die Geschichte vom Mann, der von einem haarigen Ungeheuer erschlagen wurde, bloß noch Reminiszenz des Erlebens. Das Ende ist bekannt, noch ehe die vierfach zeitversetzt eingeblendete Handlung überhaupt begonnen hat. Aber nach dem Tötungsdelikt auf offener Bühne kullern Pampelmusen aus dem Koffer des Opfers. Sie sind wohl bleibende Gedächtnisspur: Später wird ein graugekleideter Mann sie bedächtig aufsammeln, hineinbeißen ins Ding an sich und es sich einverleiben, d. h. hier unters Hemd stopfen. Indes die redliche Zeichnerin bei ihrer Aneignung von Realem scheitert. Viermal gerät sie vor den Lauf eines Präzisionsgewehrs – mit tödlichem Ausgang. So siegen die Datenwelten in technologischem Wiederholungszwang über jede Wirklichkeit.
Bevor der Bühnen-Bildschirm vollständig erlischt, legt sich aschgraues Licht über die nun menschenleere Szenerie. "Erase my memory", hatte zwischendurch immer wieder eine Stimme gehaucht. Ist die Festplatte erst einmal gelöscht, gibt es nicht Zufall noch Gedächtnis, kein "MemoRandom" mehr. Das Spiel ist aus. Lange herrscht Stille. Schließlich bricht Jubel aus. Als wollte sich das Publikum nach dieser lyrischen Durchquerung medialer Höllenschlünde seiner eigenen Leibhaftigkeit tröstlich versichern.