Die Freundschaft zwischen Philosophie und Kunst

Zusammengetragene Wahlverwandtschaften beim steirischen herbst 2009. Weitergegeben von Sabina Holzer.

Corpus 22 Sep 2009German

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Composed by Captain Carey in collaboration with the media.

 

Der Saal im ersten Stock des Grazer Orpheums ist geordnet. Zuhörende Gäste auf der flachen Tribüne und davor eine klassische Sessel-Tisch-Zusammenstellung mit Plastikkakteen als Dekoration bereitet für die eingeladenen Teilnehmer*innen der Konferenz. Auf einer kleinen erhöhten Bühne vor einem roten Vorhang steht ein Rednerpult mit einem halbhohen Beistelltischchen als Begleitung. Der rote Vorhang und das quasi samtene Tischdeckchen erzeugen ein sprichwörtlich zauberhaftes Bild. Die Vortragenden werden in diesem Bühnenbild für Taschenzauberei ihre Gedanken zu ALL THE SAME – WAS GILT, WENN ALLES GLEICH UND GÜLTIG IST? vorstellen. Anke Schleper und Florian Malzacher griffen das Prinzip der Wahlverwandtschaft auf, und so durfte im Vorfeld jede vortragende Person ihre nachfolgende einladen und durch eine kurze Einleitung zu dieser weiterleiten. Ein Staffellauf der geglückten Gastfreundschaft des Denkens.

Zu dieser Gastfreundschaft ein Versuch einer Verschriftlichung. Ein Zuwinken während einer Reise durch eine Landschaft aus Spuren von Vorträgen. Der Vortrag als Geste, in dem die Staffel weitergetragen, in eine neue Umgebung gebracht wird. Die Reihenfolge als Linie auf der Karte, die sich erst durch den Spaziergang entfaltet. Im Zuhören, in der Präsenz der SprecherInnen. Der Lauf beginnt.

Krassimira Kruschkova zeigt ihre Begriffe als Figuren eines anagrammatischen Theaters. Sorgfältige Versprechen – dort, wo etwas auf uns zukommt, bevor es uns auffällt. Übergabe an Bernhard Waldenfels bringt Einfälle gleich Überfälle. Gleichsetzen des Nichtgleichen. Übergabe an Wolfgang Eßbach erinnert an den vergessenen Mynona mit seiner schöpferischen Indifferenz. Übergabe an Michael Hagner feiert die Helden der Schwäche. Und erzählt von der Militarisierung der Neurologie.

Nach der Mittagspause verändertes Bühnenbild. Anstelle des roten Vorhangs eine Projektionsleinwand. Vor der Bühne zwei zusammengestellte Tische und Stühle.

deufert+plischke nehmen an den beiden Stühlen Platz und präsentieren ihre Arbeit als Monstrosität. Hermes+Aphrodite=Hermaphrodite. Übergabe an Marcus Steinweg spricht ohne schriftliche Aufzeichnungen über die Politik des Subjekts ohne Subjektivität. Übergabe an Catherine Malabou sieht eine Todesmaschine hinter der Ewigen Wiederkehr des Gleichen. Die, die die Wiederholung nicht verstehen, werden Gespenster. Übergabe an Alexander García Düttmann schließt mit der Ambiguität der Wertung. Einen Ring zu tragen ist bloßer Schmuck oder ein Zeichen der Freundschaft.

Wenn sie mich fragen, warum ich mich diesen Dingen
zuwenden muss, dann weil sie anders sind, und ich kann,
ich sollte und ich will diese Andersheit nicht auslöschen.
Und sie sind anders, insofern sie vor mir da waren,
was heißt, dass ich vor ihnen bin. Ich stehe vor ihnen
wie vor dem Gesetz.[1]

Im Gegenüber, Hintereinander, Voreinander und Nebeneinander die radikale Kontingenz des Anderen, mit dem eine unvermeidliche Berührung entsteht. Das Aufeinanderfallen zweier Ereignisse, zeitlich unvorhergesehen oder zumindest verschoben. Lücken, Distanzen. In der Sprache, dem Sprechen, dem Zuhören, dem Zeichnen und Schreiben. Auch in der Gemeinschaft der Gleichen, in der unbegründeten Gleichberechtigung immer ein Zwischen sein. Wie in der Liebe. Wie in der Freundschaft. Dabei performative Versprechen der gleichberechtigten Teilhabe. Was für eine Gemeinschaft entsteht in der zeitgenössischen Kunst? Entzogene Lesbarkeit in der Sehnsucht sich mitzuteilen. Präsenz als markierte Präsenz. In der Unterbrechung entsteht Berührung. Durch den Bruch kann Licht eindringen. Was geschieht mit der Aufmerksamkeit? Auffallen und Aufmerken. Etwas kommt auf uns zu, bevor es uns auffällt.

Ein Hinweis. Nietzsche erwähnte, das Denken ist nicht zu denken ohne das Tanzen. Und Tanzen bedeutet nicht Gleichschritt. Was für eine Erleichterung! Wie stellt sich das Gleiche zu dem Ungleichen und wie wollen wir es verstehen? Als gleichmachende Gleichgültigkeit und bevorzugtes Privileg? Als Ungerechtigkeit? So oder so. Jedes Blatt gleicht dem anderen, aber nicht völlig. Wie Rancière sagt: durch die vorausgesetzte Gleichheit können die Menschen ungleich sein. In der vorausgesetzten Ungleichheit müssen die Menschen gleich sein. Levinas' Ethik aus dem Anspruch des Anderen. Die soziale Apathie kann durchbrochen werden wie bei Dostojewski und „Der Traum eines liederlichen Menschen“. Wo führen sie uns hin, die Agenten der Normalität, und was passiert, wenn diese unterbrochen wird? Wenn Einfälle einbrechen. Licht! Auch die Gedanken kommen, wie sie wollen, man kann sie nicht erwarten. Wenn Einfälle einbrechen und die Normalität aus dem Gleichschritt bringen, weil sich Anderes, Ungleiches, Unerwartetes hinzufügt, entsteht ein Erschrecken. Unsere Kultur von Bedeutung erschrickt, wird versetzt, etwas Anderes ereignet sich. Ein Ereignis. (Auch aus einem unscheinbaren Impuls kann ein Ereignis entstehen.) Die Kultur des Menschen, von Menschen gemacht, sucht Antworten auf Ereignisse. Auf das Ereignis des 11. September war eine der Antworten Guantánamo.
Ereignisse schaffen Erfahrungen. Menschen kategorisieren sie, um sie besser handhaben zu können. Allerdings gibt es auch Erfahrungen, die Ratlosigkeit erzeugen. (Wie Amokläufe oder jetzt in der Finanzkrise die vermeintlich ratlosen Wirtschaftsexperten.)

Die Antwort auf das Ereignis der iranischen Revolution 1979 war eine große Verwirrung bei den europäischen Intellektuellen. Wie konnte es zu so einer Äußerung reaktionärer Kräfte, von religiös motivierter Gewalt in einem Zentrum von an sich progressiven politischen Kräften kommen? Wir treten eine Zeitreise an. Europa und die Glaubenskriege. Wie sind wir mit ihnen umgegangen? Die allgemeine Erklärung, die Säkularisierung Europas hätte sich durch die Aufklärung und den Kapitalismus entwickelt, ist tatsächlich eine Verallgemeinerung. Der 30-jährige Krieg 1618–1648 ein Konflikt um Hegemonie oder Gleichgewicht und zugleich Religionskrieg. Bestand im Mittelalter eine diverse und universale Religionsvorstellung, entstand in der Moderne eine Art Bekenntnis-Religion. Identität wird durch Konfirmationen geschaffen und führt zu territorialen Staatenbildungen als neue Strukturen von Religion und Politik. Diese Konfirmationen, Zusammenfassungen zeichnen sich durch Diskursverkürzungen, Vergleichgültigung des Details (Kennzeichen der Kriegsführung war die Detailstrukturierung) und Jurifizierung aus. Diese Strategien führen in weiterer Konsequenz zu einem neuen Gottesbild, zu einer „vernünftigen“. Im 19. Jahrhundert beginnt die Wissenschaft gegenüber der Religion eine wahrere Wahrheit zu behaupten. Differenzierungen in indifferenten Glaubensvorstellungen. Das allgemeinste und allergemeinste ist die Differenz.

Das Andere ist immer Teil des Gleichen. Das Eine ist gespalten, zersplittert, das Andere. „Ich bin ein Anderer“ sagt auch Rimbaud. Singulär. Vereinzelt. Selten. Stellenweise. Gesondert. Isoliert. Differenziert. Verschiedentlich. Im Gleichen. Sobald ich eine Grenze ziehe, kann ich differenzieren. Meine Indifferenz führt mich zu einer Lücke, einem plötzlichen Abgrund. Ein Abriss, der sich über eine Berührung benennt und entzieht. Ein gewisser Taumel, eine Schwäche.

Keine Sorge. Lassen Sie uns über die Vorzüge der Schwäche reden. Von Minorität, Kleinheit und der Möglichkeit, Skepsis gegenüber dem Heroischen zu empfinden. Italo Svevo erzählte vom Menschen als schlechtem Tier, welches sich voller Hochmut aufrichtete und so für alle sichtbar war. Die Tiere mit vier Beinen waren viel schneller und überholten ihn bald. Die anderen hatten Arme, die viel stärker waren als er. Der Mensch fand Zuflucht beim Mammut. Es schütze ihn in gleichmütiger Gleichgültigkeit. Der Mensch seinerseits diente dem Mammut, sorgte und pflegte seine Zuflucht. Der Mensch kultivierte seine Schwäche, um zu überleben.

Wie wäre es, Darwins Idee des Überlebens der Stärkeren umzustülpen und die Schwäche als Ausgangspunkt zu nehmen? Die darwinistische Stärke hat bis zur Eugenik geführt. Gewonnene Freiheit (die Loslösung von einem Gott) ist eine Freiheit der Kultur oder eine Freiheit der Destruktion. Als Beispiel wieder Italo Svevo, der mit Zeno Cosini eine Poetologie der Schwäche entwickelt hat und in dieser auch der Psychoanalyse mit Skepsis begegnet. Will sie nicht heilen und zum Stärkeren machen?

Am Beginn des 19. Jahrhunderts wurden vermehrt Fälle von Nervenschwäche festgestellt. Vor allem am männlichen Gehirn (bei den Frauen war man ja um diese Zeit mehr mit der Gebärmutter beschäftigt) wurde Nervosität festgestellt. Der Zunahme dieser Empfindlichkeit wurden ebenso eine gesteigerte Sensibilität und Kreativität zugesprochen. Im 20.Jahrhundert wurde eine Verbindung zum Sexualtrieb gelegt. Danach begann die Hirnforschung, die Schwäche des Nervensystems im Gehirn zu untersuchen. Die Instinktgefühle zum Schutz der Sozietät wurden benannt. Und zwar nicht in der Pflege des Mammuts, sondern in der Propaganda von Mut, Stärke und der Fähigkeit zu töten. Diese Merkmale wurden in der Gehirnrinde, im Cortex geortet. Und damit begann eine zunehmende Militarisierung der Neurologie im Sinne eines Sozialdarwinismus, in welcher der Schutz der Schwachen nicht mehr vorgesehen ist. Dabei ist eine Kultur ohne Helden der Schwäche nicht zu denken. Die Schwäche, das Leiden als schützendes Moment gegen normiertes Normalitätsgeprotze, das sich die populistische Rechte wieder an die Fahnen heftet.

Wie eine Aufmerksamkeit, ein Handeln entwickeln, das kategorisierende Gleichmacherei, die ewig sich selbst affirmierende Systematik, durchdringt, umkreist umgeht – sich zuweilen verirrt, auf diesem Irrweg wieder Anderes aufspürt?

In der Vereinigung von Hermes (Schutzgott der Redekunst, der Gymnastik, der Palästra, der Magie und der Diebe. Götterbote und Begleiter der verstorbenen Seelen in den Hades) und Aphrodite (Schutzgöttin der Liebe, der Schönheit und der sinnlichen Begierden, zuständig für Wachstum und Entstehen) gestaltet sich Hermaphrodite. Mann und Frau in einem, niemals wieder zu teilen in Mann und Frau. Immer schon das Andere. Hermaphrodite fordert und verführt, gestaltet sich immer neu, immer wieder. Eine Zweiheit, zwei als Einheit. Zwei sind immer weniger und mehr als eins. Aufforderung und Verführung, das Andere. Das Andere in einem Selbst zu lieben. Wenn es das eine gibt, gibt es auch das andere. Daraus kann eine Praxis entstehen. Nämlich die, von Anfang an dem Gleichsein zu vertrauen, der Schwäche. Nicht das, was man kann, einander (vor)zeigen, sondern miteinander sein in dem, was man nicht kann. Das Andere ist der blinde Fleck des Einen und umgekehrt. Indem das Andere stets auch das Eine ist, erwähnt Einem das Andere den blinden Fleck. Und umgekehrt. Spiegelung nicht als Selbstspiegelung eines Gleichen, des Narziss, der sich selbst wieder erkennen möchte. Spiegelung im Anderen, um das wahrzunehmen, was nur anders wahrnehmbar ist. Eine Praxis aus Liebe und Humor. Eine Praxis mit dem Anderen, der Lücke, dem Abgrund. Wie Roadrunner und Wile E. Coyote. Die Lust an der Jagd, ohne zu erlegen, erledigen, fertig zu machen. Die Lust als Mittel, sich in einem Prozess wieder zu finden, der einen selbst überwältigt. Die Jagd gibt die Richtung, den Bezug, in der sich das überwältigte Subjekt wieder äußert, entäußert.

Werden. Subjekt ohne Subjektivität. Subjekt als Objekt der Lebensumstände. Unbeständig. Uneinheitlich. Ungereimt. Unvereint. Widersprüchlich. Gott ist Tod. Was ist Freiheit? Nicht fangen lassen. Von Realismus oder Idealismus. Denn Realismus und Idealismus sind falsche Kategorien. Kein Zweiweltenmodell, sondern die Behauptung von einer Welt, die inkonsistent ist. Inkonsistent und nicht dynamisch, aber folgewidrig, unbeständig, uneinheitlich, ungereimt, unvereint, widersprüchlich. Was ist Philosophie? Wie in der Kunst, in der eine Künstlerin eigene Konzepte von Kunst entwickelt. Denn für keine Künstlerin, für keinen Künstler ist es ausreichend, nur bestehende Konzepte anzuwenden. Philosophie heißt auch, mit der Geschichte zu brechen. Denn Philosophie betreibt nicht Erinnerungsarbeit, auch nicht allein kritisches Denken. Selbstständiges Denken ist etwas anderes, als bestehende Konzepte anzuwenden. Denken bedeutet, auf den Unterschied zu bestehen, sich als ein Objekt der Umstände oder ein Subjekt der permanenten Übertretung zu definieren. Das Subjekt ist die Szene des ontologischen Fiebers. Es ist menschlich. Und darum findet eine fortwährende Überschreitung, Übertretung im menschlichen Subjekt statt. Was ist die Übertretung, die Überschreitung? Was ist Freiheit? Was bedeutet Freiheit für das Subjekt? Was ist die Subjektfreiheit, das immer frei Werden des Subjekts, fragt die Philosophie, weil sie genau dem begegnen will, damit in Berührung kommen will. Philosophie ist nicht nur kritisches Denken. Philosophie behauptet Konzepte. Die philosophischen Konzepte sind blind. Sie sind zu groß. Blind wie der Mensch, der nach vorne schaut und selbst größer ist als das, was sein Blick berühren kann.

Diese Blindheit ist die Freiheit, ist die Wüste. Ohne vorgegebene Substanz, ohne vorgegebene Natur. Die Freiheit ist die Wüste. Die Freiheit ist der Abgrund. Die Freiheit ist der blinde Fleck. Für Marguerite Duras ist Schreiben (écrire) eine blinde Praxis, eine blinde Handlung im Umgang mit einer Erfahrung. Im Schreiben berührt das Subjekt den blinden Fleck der Freiheit, die den Abgrund bestätigt und sich so als blindes Subjekt anerkennt. Das Schreiben der Blindheit gibt sich der Inkonsistenz hin. Die Zeichen werden der Blindheit übergeben. Zeichen ertasten.

Da kommt der Dämon und sagt: Du hast keine Wahl. Du musst dein Leben nochmals leben. Ganz genauso wie jetzt. Jeder Moment wird ganz genauso sein, wie du ihn als dein Leben erlebt hast. Eine ewige Wiederkehr. Der Dämon ist sein eigener Agent, das heißt, er ist längst eine Geschichte, in der es keinen Gott gibt und kein Leben danach oder über das jetzige hinaus. Er lacht sich ins Fäustchen, in der Rede der ewigen Wiederkehr. Denn er weiß, je nach Moment wollen wir uns anders entscheiden. Die glücklichen Momente sollen wiederkehren, die dunklen und schmerzhaften vergangen sein. Aber diesmal haben wir keine Wahl. Keine Freiheit der Entscheidung, der Unterscheidung, der Differenz. Differenz ist immer und in der Essenz Bewegung. Differenz entsteht durch Entscheidung; durch die Entscheidung, sich zu entscheiden. Und es gibt immer eine Freiheit in der Entscheidung, sich zu entscheiden. In der ewigen Wiederkehr scheint die Unterscheidung zwischen Bewegung und Stillstand aufgehoben. Entscheidung, Ausscheidung. Differenz durch Unterscheidung. Untendrunter und Obendrauf. Das Unten und das Oben. Das Aus und das Ein. Ausscheiden und Einnehmen. Ausschließen, einschließen. Und schon ist die Entscheidung getroffen und das Erwählte genommen und eingeschlossen, damit es sich ausnimmt und sich womöglich ausscheidet oder sich womöglich ausschließt. Im Widerspruch zu sich selbst. Sich selbst differenzierend. Sich selbst nicht gleichend. Verwandelt. Transformiert.

So kommt schließlich die Frage nach der Gültigkeit. Was gilt, wenn alles gleich und gültig ist? Was hat den Wert, um gültig zu sein? Was ist die Voraussetzung für Wertigkeit überhaupt? Eine bestimmte, gewisse Gleichheit muss gegeben sein, damit ein Vergleich überhaupt angestellt werden kann. Wenn alles vergleichbar ist, muss eine bestimmte Gleichgültigkeit zwischen den Dingen bestehen, um eine Wertung zuzulassen. Bewertung, Auswertung, Verwertung. In der Kunst beinhaltet die Frage nach dem Wert auch, wie viel Tradition wollen wir? Tradition ist gleich Heimat, Sicherheit. Haben wir davon genug? Wollen wir uns an etwas erinnern? Habe wir etwas vergessen? Haben wir uns (nicht auch) von etwas abgewandt? Wollten wir uns abwenden von der Frage, was wertvoll ist? Abwenden von der Tyrannei der Wertigkeit? Wertigkeit. Ware. Was hat Wert? Was bedeutet Wert? Wert bedeutet nicht Affirmation. Der Wert ist größer als das zu Bewertende, er muss außerhalb sich selbst sein, dort bleiben. Zeitgenössische Kunst ist ein ambivalentes Gebiet im Kunstfeld. Zeitgenössische Kunst arbeitet mit Konzepten des Archivs, der Potentialität, der Partizipation und dem Ereignis.

Die Kunst schmückt sich mit diesen Bezeichnungen, als wären es Zeichen, Signale. Vielversprechen. Aber diese Konzepte sind frei, sind blind, sind elastisch. Wie zu sprechen von einem Wert? Was ist der Wert der Kunst? Zeitgenössische Kunst eröffnet relationale Formen von Gemeinschaft. Zeitgenossenschaft. Sie eröffnet freie Räume. Freie Räume sind größer als das Blickfeld, sind Räume des Überschusses, sind im Entstehen, sind differente Räume, sind gleich gültige Räume und gleichgültige Räume. Sie sind immer mit Politik in Berührung. Das ist die Ambiguität des Wertes. Der Gültigkeit. Der Politik der Gültigkeit. Die zeitgenössische Kunst will sich der Politik der Gültigkeit entziehen. Und setzt, wie in diesem Fall, auf die Freundschaft, eine Geste des Vertrauens und Freigebens.

 

[1] Jacques Derrida, Als ob ich tot wäre, Verlag Turia + Kant, Wien 2000, S. 33.