Es liegt in der Gestalt des Feuers
Projecting [Space[ - Meg Stuart/Damaged Goods, Jeroen Peeters und Jozef Wouters
„Das Theater ist ein wunderbarer Ort zum Träumen,“ sagt Meg Stuart im Solostück Hunter (2014), um mit ihrem ironischen Monolog fortzufahren: „Stell dir vor, dieser Ort wäre nicht immer ein Theater.“ Zuvor hatte sie von Online-Kreativität als Vorbild für andere Realitäten gesprochen; von der rigiden Natur der Architektur und des Stadtbilds, die nur eine einzige Funktion haben; von Leuten, deren Wege sich in der Untergrundbahn oder im Supermarkt kreuzen, die sich aber nicht wirklich begegnen. „Stell dir vor, dieses Theater wäre ein Ort, wo die Leute einmal im Monat Blut spenden. Oder wo Menschen zusammenkommen, um gemeinsam all ihre Ikea-Möbel zu verbrennen, in einer Art von rituellem Statement. Ganz verschiedene Aktionen, weißt du.“ Ich erinnere mich, wie stark die Zuschauer auf diesen Vorschlag reagierten, sich ihr Theater anders vorzustellen, und wie sie im Foyer nach der Vorstellung ihre eigenen Ideen diskutierten. Vielleicht war das der erste Funke – ein kollektiver Traum, der aus dem Theater hinausfloss und sich langsam verbreitete, getragen von all den Anwesenden.
Wie stellen wir uns Theater und andere Kunsträume heute und morgen vor? Wie gestalten wir diese Begegnungsstätten, diese Laboratorien unseres Zusammenlebens? Während der vergangenen Jahre sind diese Fragen in unseren Unterhaltungen immer wieder aufgetaucht – mit der Choreographin Meg Stuart und dem Bühnenbildner Jozef Wouters, und mit vielen anderen, die an Projecting [Space[ mitarbeiteten. Einen Monat lang arbeitet die Tanzkompanie Damaged Goods vor Ort in der Zentralwerkstatt Lohberg in Dinslaken und verwandelt diese in eine vorübergehende Umgebung für die Imagination und für Experimente mit kollektiven Praktiken der Begegnung und Herstellung.
Diese Notizen wurden inspiriert von den Recherchen und Proben für Projecting [Space[, geschrieben wurden sie jedoch, bevor wir in Dinslaken ankamen – von gelegentlichen Ortsbesuchen abgesehen. Sie sind nicht wirklich eine Gebrauchsanweisung, sondern eher Notizen zu Fragen, die uns beschäftigen, Notizen aus dem Niemandsland. Sie befassen sich mit verschiedenen Arten, Energie zu transformieren, mit ekstatischen Begegnungen und Achtsamkeit für das Unbekannte – gesammelt wurden viele verschiedene Ressourcen, die das schwärende Lagerfeuer, das ein Probenprozess darstellt, am Leben hielten.
Jozef Wouters, der sich schon immer für die Schönheit prekärer Strukturen interessiert hat, fand dieses Bild dafür: „Für mich ist der Sinn eines Lagerfeuers, dass man etwas aufbaut, das man vorhat zu verbrennen – es muss nicht stabil sein oder Jahre halten. Etwas anzuzünden bedeutet, es zu konsumieren, es zu verbrauchen. Das hat einen hedonistischen Aspekt. Je mehr das Feuer brennt, desto unsichtbarer und kleiner wird die Konstruktion, und dann wird auch die Gruppe von Leuten, die darum herumsitzen, kleiner, bis alle zusammenhocken und Stockbrot essen.“
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Eine Wand des Probenraums ist vollgehängt mit Bildern, die die Mitwirkenden gesammelt haben. Ein Arrangement von blauen und rotbraunen Bildern zeigt einen Körper, der flach auf einer Asphaltstrasse liegt, neben einer riesigen Landschaft, die von Bulldozern leergefegt wurde; darunter sieht man eine Tiefgarage, die in eine fantastische Grotte führt, an deren Ende ein Licht schimmert. Darunter kann man sich weitere Welten vorstellen, vielleicht bis zu einer Tiefe von 1,2 Kilometern – wie die Schafte und Korridore, die die Bergbauindustrie in Dinslaken-Lohberg hinterlassen hat. Einstmals trieb die Kohle, die im Ruhrgebiet gefördert und verbrannt wurde, eine ganze Industrie und Kultur der Arbeiter und Produktion voran, während die Gesellschaft und kulturellen Muster heute von anderen Energiequellen definiert werden, da die fossilen Brennstoffe schnell zur Neige gehen.
Wenn bestimmte Energiequellen einen tiefgreifenden Einfluss auf die kulturelle Produktion einer Ära haben, wie sieht dann die Zukunft aus? In Art and Energy befasst sich Barry Lord mit der Frage, wie kulturelle Werte mit den Energiequellen verbunden sind, die sich uns im Lauf der Zeiten erschlossen haben – von sexueller und kinetischer Energie zu Feuer und Zusammenarbeit, bis zur Atomenergie. Im Probenraum führten wir seine Spekulationen zu erneuerbaren Energien und einer „Kultur der nachhaltigen Verwaltung“ fort, die sich mehr mit unseren Körpern und unserer Erde befasst. Unsere Diskussion entfernte sich rasch von Holz und Kohle und kam zu dem, was Körper dazu treibt, zu tanzen, wahrzunehmen, zu beobachten. „Wie steht es um die Energie von Heilpraktiken? Oder der Hitze einer großen Anzahl von Körpern bei einer Rave-Party? Wie können wir die Energie des Publikums katalysieren? Ist Empfindsamkeit eine Energiequelle? Und Fiktion?“
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Nachdem er einen Dokumentarfilm über Edelsteine und Kristalle gesehen hatte, erzählte uns Márcio Kerber Canabarro, einer der Tänzer, dass sie unter hohem Druck entstehen. Wie wäre es, einen Kristall zu ernten? Man stelle sich die nahezu endlose Menge von Zeit und Druck vor, die benötigt wird, um eine solch präzise Form und Substanz hervorzubringen. Oder die noch ungeborenen Fossilien, Minerale und Kristalle, die die Spuren unserer Zeit in eine ferner Zukunft tragen. „Sie sind die zukünftigen uralten Wesen, ein Bewusstsein, das lange fortdauern wird, nachdem wir alle verschwunden sind, wenn alle organischen Formen erschöpft sind.“
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In einer Ecke der Bilderwand befinden sich einige Fotos von aufgelassenen Industriegebäuden, verlassenen Freizeitparks und Einkaufszentren oder auch brachliegenden Weltausstellungs-Pavillons und Olympiastadien. Moderne Ruinen, ohne menschliche Präsenz. Was erzählen uns die Hochglanzbilder von diesen implodierten Träumen? Die sogenannten „Ruinen-Pornos“ von ehemaligen Autofabriken und allen möglichen modernen Kathedralen in Detroit sind vor allem auf Sensation und Konsum ausgerichtet. Die Wirtschaftskrise und die sozialen Dramen, die mit ihr einhergehen, sind aus diesen Bildern, die zu keinerlei kritischer Betrachtung einladen, subtrahiert. Brauchen wir vielleicht andere Bilder, um zu einer alternativen Betrachtungsweise dessen zu gelangen, was diese Ruinen hervorgebracht hat?
Die vielen ehemaligen Kohle- und Stahlwerke im Ruhrgebiet sind auf gewisse Art riesige Probenräume. Manche sind tatsächlich in Umgebungen verwandelt worden, die ganz anderen Zwecken dienen, zum Beispiel den darstellenden Künsten. Das sind alles Versuche, diesen Gebäuden neue Funktionen und Ziele zu geben, und den Menschen, die vormals dort arbeiteten, eine neue Vorstellung ihres eigenen Lebens. Die Kunst agiert als Hüterin des Experiments und der Vorstellungskraft beim Prozess, in dem eine Gemeinschaft nach alternativen Zugängen zu den Themen Arbeit, Nahrung, Bildung, Zusammenkunft, Ritual etc. sucht. Nicht zu vergessen Freizeit, Ruhe, Protest, gar Faulheit – das „Nicht Tun“ ist auch eine Art des Tuns, das Aufmerksamkeit verdient.
Dank des Interesses an Industriearchitektur bietet die Umwandlung dieser Fabrikgebäude auch Übungsräume in einem anderen Sinne. Zukünftig wird es neue und andere verlassene Gebäude geben, die auf neue Bestimmungen warten. Man stelle sich all die verlassenen Flughäfen in der nicht-so-fernen Zukunft nach dem Ende des globalen Ölfördermaximums vor – was machen wir mit denen? Verwandeln wir sie in Museen der Moderne? Oder werden sie, die jetzt für unpersönliche, rasche Mobilität stehen, in der Post-Arbeits-Gesellschaft Orte zum Verweilen sein? Fitnessstudios für Menschen, die ihre atrophierten Körper in Schuss halten wollen, wenn Drohnen und Roboter alle Arbeiten übernommen haben? Bereiche für Versammlungen, Begegnungen und Rituale? Man stelle sich all die Verhaltensweisen und Lebensstile vor, die an einem solchen Ort praktiziert werden könnten.
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Theatergebäude fallen ebenso dem Ruin anheim, obwohl die Zeit ihres Verfalls unserer Aufmerksamkeit und Vorstellungskraft als Theaterbesucher verborgen bleibt. Trotzdem ergreifen die Elemente vollständig Besitz von den Überresten eines verlassenen Theaters, lang bevor der Wald es sich zurückerobert. „Wie kann man bei einem Ereignis, das sich nicht an uns wendet, präsent sein? Wie kann man Ereignissen und Phänomenen beiwohnen, die jenseits unserer Sinne stattfinden?“ Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen folgt der Künstler Augusto Corrieri einer Mücke, die um den Kopf eines Schauspielers herumschwirrt, und lässt sich vom Stück ablenken. Oder er fragt sich, wie man das Theater auch als tatsächliches Gebäude aus Steinen betrachten kann. Plötzlich verlagert sich der Hintergrund in den Vordergrund, nichtmenschliche Akteure und unterschiedliche Zeitlichkeiten kommen ins Spiel. In einem Essay kommt er zu dem Schluss: „Dank der ökologischen Katastrophe und des anthropogenen Klimawandels hat sich plötzlich eine unumkehrbare Verschiebung der Perspektive aufgedrängt: Das Außen ist in das Auditorium eingebrochen; oder vielmehr merken wir gerade erst, dass das Außen schon immer drinnen gewesen ist.“
In einer weiteren Umkehrung bat Meg Stuart die Tänzern in den Proben die Landschaft zu lesen, während die Landschaft sie zur gleichen Zeit liest. “Dein Körper ist hochsensibel, deine Gliedmaßen sind wie Antennen. Du spürst und verfolgst Verbindungslinien – zu den Dingen vor dir, zu den Energien um dich herum, zu unsichtbaren Erscheinungen.” Man stelle sich so eine Begegnung vor, in der der Raum einen entziffert, während man zusieht. Oder stellen Sie sich vor, dass Ihr hochsensibler Körper sanft über den Betonboden einer ehemaligen Bergwerksfabrik streift. Würde er dadurch ortsbezogen? Würden die Bedingungen von Material und Raum zu Partnern in dieser Unterhaltung, dieser Begegnung von heterogenen Oberflächen und Begehrlichkeiten? Stellen Sie sich Ihre Aufmerksamkeit für die kleinsten Teilchen vor, wenn jemand eine Handvoll Staub durch den Raum pustet.
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Wenn man nach rechts blickt, sieht man wie die Fotos sich an der Wand bis zur Decke erstrecken. Sie folgen der Dynamik der Menschen auf den Bildern, die Räume mit hölzernen Rahmen konstruieren, Dinge organisieren oder abstrakte Linien in die Luft malen – Gesten, die der Schwerkraft und der Entropie trotzen.
Vor etwa einem Jahr fanden wir uns in einer ehemaligen Zementfabrik wieder, wo Jozef Wouters eine Probe leitete, die sich mit dem Vokabular des Bauens befasste. Innerhalb eines begrenzten Raumes voller Sachen – Stein, Metall, Holz – bat er alle, Dinge emporzuheben. „Hebt etwas auf und entscheidet, ob es Müll ist oder ob es Potenzial für höhere Energie hat. Ihr könnt Dinge ordnen, sie aufrecht hinstellen, sie stapeln, oder sie, wenn nötig, wegwerfen. Geht praktisch an die Sache heran. Es ist, als würde man entweder putzen oder bauen.“ Nach etwa einer Stunde war der Raum voller Kompositionen, sowohl Miniaturen wie auch großen Arrangements. Die nächste Aufgabe war, irgendwo zu sitzen – um die Umgebung von innen heraus zu betrachten, um sie zu bewohnen, sie vielleicht nochmals zu verändern.Wie passt der eigene Körper in diesen Raum?
Die Erinnerung an diese Improvisationen bleibt auch während des Lesens eines wunderbaren Essays von Robert Pogue Harrison über die Gärten der Obdachlosen in New York. Diese vergänglichen Gärten sind nicht gerade grüne Oasen, noch wird in ihnen Gemüse angebaut; stattdessen sind sie Kompositionen, die in offenem Gelände aus dem geschaffen werden, was herumliegt – Arrangements von Steinen und Holzstücken, Flitterkram, Blättern und Zweigen, oder vielleicht ein Stofftier, das „den Geist von Pflanzen und Tieren beschwört“. Manche halten sich nur einen Tag. Harrison zufolge wurden Gärten nicht erfunden, um das Überleben zu garantieren. „Der Mensch hat ein ebenso starkes Bedürfnis, die Realität zu verändern, sie mit Kostümen und Illusionen zu schmücken und damit unsere Wahrnehmung der Realität wieder zu einem spirituellen Erlebnis zu machen.“
Gärten geben unserer Beziehung zur Natur eine Ordnung, einen verkörperten Sinn für menschliche Ordnung. Für die Obdachlosen sind ihre Kompositionen nicht so sehr eine Unterkunft, sondern eine Insel der Ruhe, und sie verleihen „einem ansonsten unbegrenzten städtischen Areal menschliche Dimensionen“. Inmitten des unartikulierten urbanen Dschungels sorgen sie für eine Form und markieren ein Gelände, das Sprache, soziale Interaktion und Fürsorge ermöglicht. Wie passt der eigene Körper in diesen Raum?
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Die Bilder an der Wand werden jeden Tag neu arrangiert. Sie werden in eine Improvisation hineingezogen oder rituell zerstört, um dann in einer anderen Anordnung wieder aufzuerstehen, vielleicht in Form eines Drachens oder eines Lebensbaums. Zusammen ermöglichen sie uns auch, Szenarien zu entwerfen und von dem entstehenden Werk zu träumen, oder auszuprobieren, wie sich Menschen in bestimmten Umgebungen verhalten würden. Die Reise entlang oder durch diese Fotografien erlaubte uns, uns mit den vielen nomadischen Figuren in ihnen und ihren extremen Reisen zu identifizieren. Vagabunden, Hausbesetzer und Aussteiger, ein Kurier mit Pappkartons, die sich auf seinem Motorrad türmen, Zirkusartisten, Flüchtlinge in einem Gummiboot, ein Astronaut mit einem Fallschirm, eine Frau, die sich als Gebäude verkleidet hat, ein anderer Mann, der einen Felsblock durch die Wüste trägt – ein Tänzer fragt: „Bist du sicher, dass nicht der Stein den Mann trägt?“
Man stelle sich einige dieser Figuren als einen Nomadenstamm vor, der aus der Zukunft in unsere heutige Zeit reist, um seine Kunde zu teilen – die Geschichten, Lieder und Tänze, die seine Form des Zusammenlebens, der Arbeitsteilung, der Fürsorge und Rituale reflektieren. Würden wir die heutige Welt mit anderen Augen betrachten? Würden wir aufgerüttelt, um uns zu sensibilisieren und mit Begegnungsorten und -situationen zu experimentieren? Wären wir in der Lage, unsere Vorstellung der Gegenwart bis an die Grenze des Bekannten zurückzudrängen, andere Welten zu betreten und anzufangen, das Fremde in unserer Mitte zu erleben und uns darum zu kümmern?
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„Wie möchtest du genannt werden?“ So begrüßen die Aussteiger einander in Cory Doctorows Science-Fiction-Roman Walkaway, als explizite Einladung, sich neu zu erfinden – und sowohl ins Gespräch als auch in eine Praxis hineinzufinden. Diese Aussteiger verlassen nicht die Gesellschaft und sind auch nicht autark, doch ihre Praxis ist es, sich von dem zu befreien, was sie die „vorinstallierte Realität“ nennen. „Was ist das systemische Ergebnis des Daseins als Aussteiger?“ – „Ich glaube nicht, dass das schon irgendjemand weiß. Ich freue mich darauf, es herauszufinden.“
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In Tom McCarthys Roman Satin Island besuchen zwei Anthropologen die Lagerräume des Anthropologischen Museums in Frankfurt, die Tausende von Gegenständen des Sepik-Stammes in Neuguinea beherbergen. Losgelöst von den undokumentierten Praktiken des Sepik-Volks, werden diese Gegenstände nun nur mit weißen Handschuhen angefasst und verharren so in einer Art Niemandsland. „Was glaubst du, zum Beispiel, fragte sie, öffnete ein weiteres Kabinett und zog eine seltsame Korbkonstruktion hervor, wofür das hier gut ist? Ein Fischernetz, ein zeremonieller Kopfschmuck, ein Schläger für irgendeine Art Spiel, ein Kochgerät... Wer weiß? Wir nicht. Wir werden es nie erfahren. Wir haben die Hälfte von diesem Zeug noch nicht einmal katalogisiert. Was sollen wir damit machen?“ Die Dinge zurückzugeben scheint ebensowenig eine Option zu sein. „Die Nachkommen des Stammes wissen auch nicht, was dieses Korbgeflecht ist; sie haben alle Mobiltelefone und trinken Cola.“ Manchmal fühle sie sich wie in der Schlussszene von Citizen Kane, wo „all die Artefakte auf dem Weg ins Feuer sind. Dies, sagte sie und deutete mit ihrem nunmehr schmutzigen Handschuh auf alles um sie herum, ist kein Feuer; aber es ist trotzdem die Vergessenheit.“
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Man stelle sich ein Museum der Erfahrungen vor, eine Zeitkapsel, in der Praktiken am Leben erhalten werden. Vielleicht könnte man dort an einer Wiederbelebung ausgestorbener Sprachen und Verhaltensweisen einer anderen Ära teilnehmen. Oder vielleicht könnte man sogar Welten bewohnen, die aus der Zukunft in die heutige Zeit projiziert würden. Es könnte eine Einladung sein, die Sinne einzustimmen und zu schärfen und mit anderen Arten des Empfindens und Wahrnehmens zu experimentieren. Mehr Ausrüstung braucht man für eine solche Reise nicht, sondern eher die Erkenntnis, dass wir selbst Technologie sind, die vergangene und zukünftige Archive verkörpern kann.
Nach einer spekulativen Schreib-Session formulierte die Tänzerin Mariana Tengner Barros es so: „Verstehe, dass alles in den Details liegt. Ändere den Maßstab. Verkleinere, um zu beobachten. Wir sind Meister darin, Wahrnehmungspraktiken zu entwickeln, aus unterschiedlichen Stimulationen der Sinne, deren Gültigkeit wir annehmen, und all die anderen, die wir noch nicht benennen und erkennen können. Wir führen unbekannte Tänze aus; wir üben, was wir nicht kennen, mit voller Willenskraft und Hingabe.“
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Zwei weitere Bilder, in leuchtendem Gelb und Rot, haben auf der Karte zueinander gefunden. Vor einigen Jahren wurden etliche Hochöfen und Behältnisse, in denen geschmolzenes Eisen transportiert wurde, von der stillgelegten Phoenix West Fabrik in Dortmund nach China verkauft. In einer fernen Zukunft könnten diese ins Ruhrgebiet zurückreisen, in einer verwandelten und ganz anderen Form, und ihre Energie könnte nun in einem feuerspeienden chinesischen Drachen weiterleben, in einer großen Menschenmenge, die tanzt, um sein Stoffgewölbe hoch über ihren Köpfen zu halten mit Stöcke, während sich das Fabeltier immer weiter wälzt und wütet.
Quellen
Augusto Corrieri, ‘The Rock, The Butterfly, The Moon, and The Cloud: Notes on Dramaturgy in an Ecological Age’, in Konstantina Georgelou, Efrosini Protopapa, Danae Theodoridou (eds.), The Practice of Dramaturgy: Working on Actions in Performance, Amsterdam, 2017, pp. 233-246
Cory Doctorow, Walkaway, New York, 2017
Robert Pogue Harrison, Gardens. An Essay on the Human Condition, Chicago, 2008
Barry Lord, Art and Energy. How Culture Changes, Arlington VA, 2014
Tom McCarthy, Satin Island, London, 2015