Holding hands
Sie arbeiten als Duo und tauschen die Plätze zwischen RegiesseurIn und DarstellerIn von Probe zu Probe. Sie entwickeln zwei Stücke parallel zueinander und beeinflussen sich gegenseitig.
Hier stehen sie.
Er ist so hübsch - und sie auch. Sie haben offensichtlich unterschiedliche Persönlichkeiten aber sie sind (mit)einander verbunden. Manchmal denkt er, daß ihr Haar wirklich die gleiche Farbe hat. Aber sein Schwerpunkt ist woanders als ihrer. Um so gleichgeschalteter sie erscheinen, um so mehr Unterschiede werden sichtbar. Wessen Willen folgen sie? Sie bilden einen einzigen Organismus mit ein oder zwei Gehirnen oder Seelen. Er ist schwul in allem was er tut und sie mag es, lesbisch neben ihn zu sein. Sie haben verschiedenartige Überlebensstile - die Städte zusammen wechselnd, immer eine/einer Zuhause und der/die andere nicht. Warum sind sie ins Kino gegangen um zu weinen? Was passiert in seinem Gesicht während die großen Gefühle über das Gesicht des Stars gleiten? Sie sind beide besessen, stur, langsam (verglichen mit dem Rest der Welt) - und detailverliebt. Aber sie weiß nicht, ob sie sich vor fünf Jahren zusammengebracht hätte. Natürlich haben sie sich beide stark verändert, aber manchmal denkt er, daß er sich verändert durch das was sie zusammen machen. Vielleicht verschmelzen sie langsam wie zwei Eisberge, so langsam, daß sie es nicht einmal merken.
Das Wiederholen...
Wenn er anfängt, etwas zu tun und es wiederholt, langweilt er sich sofort, als würde er seine ganze Aufmerksamkeit auf den Akt der Wiederholung verwenden. Er kann zuerst nirgends einen Halt finden, aber dann passiert etwas, eine Erinnerung, oder ein Song fängt in seinem Kopf an zu spielen. Er singt gerne Songs auf und ab in seinem Kopf. Wenn er diesen einen Song hören kann, kann er jedesmal lächeln oder weinen. Dann denkt er an all die anderen Male wo er zu diesem Song geweint hat, was er dabei tat. Er wiederholt die Emotion, aber es ist jedesmal eine Neue. Er kann immer ein neues Gefühl ausgraben das er vorher nicht gehabt hat.
Sie beschäftigt sich gerne mit Langeweile. Es ist so entspannend, gelangweilt zu sein.
Er mag es wenn Humor und Weisheit aus der Wiederholung entstehen. Wiederholung bringt Fragen nach Freiheit und Glück in ihm auf, was sie sind und ob sie etwas miteinander zu tun haben.
Etwas Mal für Mal zu wiederholen über eine längere Zeitspanne - mehreren Monaten zum Beispiel - bringt ihr ins Bewußtsein wie die Zeit vergeht, wie die Jahreszeiten wechseln, wie er sich verändert hat. Die Gesten, die Dinge die sie zusammen tun bleiben die selben und die Umgebung verändert sich drumherum. Auf den Videobänder ihrer Proben sieht sie wie sie beide das selbe tun, einmal mit rosigen Backen in Sommerkleidung und offensichtlich schwitzend, einmal blas und fröstelnd in Pullovern.
Manchmal langweilt er sich wieder und er muß aufhörren zu wiederholen, wie wenn sie Pausen machen beim Proben. Er vergißt vollkommen was gerade geschah. Er macht es später wieder. Er fühlt sich anders. Er ist wieder wütend. Es sieht genauso aus wie zuvor. Er fühlt sich anders. Er fühlt sich verwirrt, und dann erfrischt.
Sich jung und unbeständig zu fühlen oder zu sein, und stur mit den Mitteln der Wiederholung zu arbeiten, trägt einen absurden genüßlichen Beigeschmack mit sich. Es ist die Herrausforderung, die Spielregeln festgelegt zu haben für ein Spiel und ihnen einfach zu folgen bis zum Schluß
- um dann zu merken daß der Schluß verschwunden ist. Sie erkennt sich wieder in einer Geste, die Art eine Tasse Kaffe zu trinken oder das Frühstücksei aufzuschneiden. Da weiß sie, sie ist es, sie ist es wieder, und sie kommt sich vor wie in einem Zug. Sie guckt aus dem Fenster und die Landschaft fliegt vorbei. Und hier ist sie, mit ihm, immer wieder ihm, in diesem Abteil.
...eines Gefühls.
Ein Gefühl ist etwas unfertiges. Es ist etwas das vor der Aussprache kommt. Oft wenn die Worte da sind um es zu beschreiben - "Warum weinst Du?" - ist das Gefühl schon verflogen. Aber wenn sie ihn fragt: "Warum lachst Du?" dann lacht er noch mehr beim Versuch, es zu erklären. Er versucht Worte dem Lachen hinzuzufügen doch das Lachen schluckt seine Worte. Und dann fängt sie auch noch an zu lachen - sie kann nicht widerstehen, ihn zu spiegeln. Ihre Emotionen und ihre Worte laufen oft auseinander.
Ein Gefühl ist wenn er das hier schreibt, wenn er das hier in Worte fassen muß. Es sind all die Risiken, die er eingeht und all die Hoffnungen, die er hat, daß die Zeit des Risikos bald vorbei sein möge. Es ist wenn er fühlt daß er die Dinge auf falsche Weise sieht. Es ist sich im Kreis drehen oder es wächst ihm ein Körper auf der anderen Seite. Ihm ist kalt oder ihm ist warm. Das ist ein Gefühl oder der Boden für weitere komplexe Geisteszustände. Sind Gefühle universell? Ist das überhaupt eine interessante Frage? Auf jeden Fall bilden sie ein starkes Netz für sein Gedächtnis.
Wenn sie wahrnimmt, daß sie etwas fühlt, dann begreift sie, daß sie aufmerksam ist. Das verursacht Sehnsucht in ihr. Was sie begehrt, ist diese Aufmerksamkeit.
Es erschöpft ihn. Manchmal hat er das Gefühl daß der einzige Weg, seinen Finger drauf zu legen ist, zu sagen, was es mit ihm macht. Es bringt ihn auf Fragen, die zu einfach sind und nie beantwortet werden können. Es macht ihn neugierig darüber wie die Leute ihn sehen. Es ist sehen.
Könnte sie sich ein Stück anschauen wie eine Landschaft oder ein Gesicht, auf dem Gefühle vorbeiziehen wie leichte Wetterveränderungen?