Der Körper als Re/De-Präsentation.
Oder: Was macht den Tanz zeitgenössisch?
0.
Die Zukunft des zeitgenössischen Tanzes hat gestern begonnen. Seine morgige Identität läßt sich in den heutigen Produktionen erkennen – in ihrer Machart, in ihrem Umgang mit dem Körper, mit anderen Worten, wie sie choreografiert sind. Nicht, daß wir der Meinung wären, der Körper sei das primäre Medium, geschweige denn der ontologische Standfuß des zeitgenössischen Tanzes. Kein impliziter Essentialismus, doch im Interesse der Konvenienz wollen wir uns im Folgenden auf die ‚körperliche Realität’ des zeitgenössischen Tanzes konzentrieren. Schließlich sehen die meisten Choreografen, Tänzer und Tanzfreunde nach wie vor das Potential des menschlichen Körpers, d.h. seine Fähigkeiten (und, impliziert, Schwächen) als bestimmendes Charakteristikum dieses künstlerischen Genres. Man mag über die Zuordnung streiten doch sie ist und bleibt ein konstituierendes Element in der Produktion und Rezeption des zeitgenössischen Tanzes heute und das wird, soweit wir das erkennen können, morgen nicht anders sein. Was danach kommt, fällt weder in unsere Kompetenz, noch interessiert es uns. Wir weigern uns, den Propheten zu spielen, und wir verabscheuen die Aufforderung, der zeitgenössische Tanz müsse dies oder jenes sein, sich so oder anders entwickeln. Es zirkuliert schon zu viel profund Moralisches, oft im Gewand des politischen Slogans, in der Kunstwelt unserer Zeit. Übrigens: Utopia gehört zu einer Vergangenheit, die sich definitiv selbst verzehrt hat.
1.
Zeitgenössischer Tanz entsteht gemeinsam und schafft das Gemeinsame immer und immer wieder, selbst wenn ein Choreograf Regie führt oder Autor ist. Er ist eine kooperative Praxis, mit unterschiedlichen Graden von (Un-)Gleichheit der an einem Projekt beteiligten Akteure und generiert etwas Gemeinsames, das zunächst die Form eines temporär und gemeinsam genutzten (Bewegungs-, Bild-, Ideen-, Wort-)Vokabulars annimmt. Manchmal, wenngleich eher selten, wird dieses Vokabular zur Grundlage eines gesamten Werkes. Meist beginnt man bei jedem Projekt von neuem und sucht nach der Sprache, die ihm die angemessene ist. Zeitgenössischer Tanz ist Forschung, ist die Produktion von Gemeinsamkeit in einer immer neuen Konfiguration von Singularitäten.
Dem ‚kommunalen Regime’ des zeitgenössischen Tanzes entspricht ein überraschend stark ausgeprägtes Maß an Konvivialität. Es gibt wenig Geschrei und wenig Neid. Wertschätzung basiert auf dem, was die anderen tun, nicht auf persönlichem Geschmack. Eine Performance ist daher eine Einladung, ihre ureigenen Prämissen mitzudenken. Nur selten weist jemand die Annahmen, die gemacht werden, schroff und radikal zurück. Mögliche Kritik konzentriert sich auf die konkrete Erarbeitung - auf die Frage, wie innerhalb des gewählten Rahmens künstlerische Möglichkeiten genutzt werden (oder eben nicht) und ein spezifisch Gemeinsames generieren. In der Welt des zeitgenössischen Tanzes ist man sich der Besonderheit eines Werkes oder Werkprozesses ganz besonders bewußt, und es besteht eine gewisse Zurückhaltung, in den Kategorien von Tendenzen oder dem Poetischen zu denken und mit ihnen zu operieren.
Zeitgenössische Tänzer und Choreografen sind sich der Spezifizität ihrer eigenen Arbeit bewusst. Sie sind neugierig darauf, wie der Zuschauer die Performance gesehen hat, auch wenn sie sie anders interpretieren. Oft fehlen ihnen die Worte, die Bedeutung ihrer Werke zu beschreiben, doch sie sind ernsthaft an einer möglichen Klärung interessiert: Sie sprechen gern über ihre Arbeit, die Ästhetik der Wortlosigkeit ist nicht ihre. Es lässt sich keine ästhetische Theorie des zeitgenössischen Tanzes formulieren, und dies ist genau einer der Gründe, warum er uns die Ethik der symmetrischen Sprache aufzwingt. Der Tänzer oder Choreograf und der Zuschauer oder Kritiker versteht niemals auf sich allein gestellt, was er geschaffen beziehungsweise gesehen hat.
2.
Die ökonomischen Schlüsselbegriffe sind relative Armut und Prekariat. Wie viele Tänzer, die nicht zu einem großen Ensemble gehören - und das ist die Mehrheit - haben einen Jahresvertrag oder ein entsprechendes Einkommen? Im zeitgenössischen Tanz ist es besonders schwer, eine Karriere aufzubauen. In den knapp fünfzehn bis zwanzig Jahren, in denen ein Tänzer aktiv ist, steht ihm nur selten ein künstlerischer Weg offen, der zugleich finanziell lukrativ ist. Für Erfahrung gibt es kein Geld, denn ohnehin gibt es nur wenig Geld für den zeitgenössischen Tanz und das Spektrum der Bewegung ist breit. Wie gesagt: Jedes ästhetisch Gemeinsame ist spezifisch. Anders als Balletttänzer können zeitgenössische Tänzer kein physisches Kapital anhäufen oder strategisch investieren. Was man von oder für X lernt, ist für Y oder Z nicht von Nutzen.
Die Ökonomie der zeitgenössischen Tanzwelt hilft, zwei Dinge zu erklären: Erstens: Tänzer schätzen vor allem die Möglichkeit, auf ihrem Weg neue Erfahrungen zu machen. Ihre Karrieren sind weniger monetär, als künstlerisch motiviert. Zweitens: Ein Tänzer, der sein körperliches Kapital entwickeln möchte, muss die Position des Choreografen einnehmen, allein oder zusammen mit anderen. Dies ist vermutlich eine der wichtigen Triebfedern der erstaunlichen Fragmentierung des zeitgenössischen Tanzes. Zumindest ist es ein fesselndes Paradoxon: Auf Grund der bestehenden künstlerischen Vielfalt kann - aufler in Eigeninitiative - kein standardisiertes, künstlerisches Kapital akkumuliert und verwaltet werden; damit nimmt die Diversität weiter zu.
In Wahrheit ist die Lage noch ein wenig komplexer. Tänzer in einem Ensemble oder einem Projekt lernen neues Bewegungsmaterial zu entwickeln (oder ein virtuelles Gemeinschaftliches). Ein Grossteil dieses Könnens bleibt jedoch ungenutzt: Es wird nicht näher erkundet, da es die Sprache des Ensembles oder der Produktion nicht erfordert. Der Körper des Tänzers trägt diese ungenutzte Virtualität mit sich (in sich) - und wird daher einen neuen Arbeitszusammenhang suchen oder selbst schaffen, in dem er dieses künstlerische Potenzial möglichst realisieren kann. Durch wie viele externe Zusammenhänge muss sich ein Tänzer bewegen, bevor er die Position des Choreografen als einzige Möglichkeit einer Aufwertung des eigenen Körpers als Kunstgenerator für sich erwägt?
3.
Während des gesamten 20. Jahrhunderts kämpften Choreografen und Tänzer um Autonomie und auch um die Anerkennung des Tanzes als künstlerische Disziplin. Dieser doppelte Kampf wird oft, jedoch fälschlicherweise als einheitliche Geschichte des modernen und postmodernen Tanzes verstanden. Die Choreografen und Tänzer engagierten sich für unterschiedliche Ziele, selbst wenn sich ihre Wege von Zeit zu Zeit kreuzten. Von Isadora Duncan lässt sich eine Linie ziehen bis zu Judson Church, doch auf diesem Weg begegnen wir nicht Martha Graham oder Merce Cunningham. Und verschiedene Geschichten beginnen mit Judson Church, doch keine von ihnen endet mit Trisha Browns späteren Arbeiten oder Anne Teresa De Keersmaekers Frühwerk. ‚Tanz schreiben’ oder, korrekter noch, ‚Tanz komponieren’ - dann gibt es auch noch das ‚Designen von Tanz’, was jedoch völlig uninteressant ist, versus ‚Tanz’ (oder einfach ‚Bewegung’): Der Ausgangspunkt ist ein radikal anderer. Die zahlreichen Versuche, das Ballett zu erneuern, sind wiederum eine ganz eigene Geschichte. Allein die Formulierung: Ballett erneuern... Das war vermutlich das „Forsythe-Moment“: keine Erneuerung, sondern eine Dekonstruktion der Ballett-Tradition, ein stark persönlich geprägter Zug innerhalb, mit und gegen eine gespenstische Vergangenheit.
Immer noch wird versucht, Tanzen zu einer Kunstform zu machen. Die jüngere/neuere Welle des sogennanten Konzept-Tanzes (ein wirklich bizarrer Ausdruck) lässt sich in diesem Licht begreifen. Als ästhetisches Genre bleibt der Tanz jedoch in der globalen Kunstszene ebenso wie im Kunstdiskurs hochgradig marginal. Tanz zählt schlicht nicht, wenn das Thema moderne Kunst, ihre Geschichte oder aktuelle Postgeschichte auf der Tagesordnung stehen. Diese Marginalität hilft zugleich, die friedliche Koexistenz in der Welt des zeitgenössischen Tanzes zu erklären, die, im Vergleich zur Welt der Bildenden Künste, relativ klein ist, und die bemerkenswerte Indifferenz vieler junger Tänzer und Choreografen angesichts der Unterscheidung von Kunst und Nicht-Kunst. Sie produzieren zwar keinen Konzept-Tanz, doch sie explorieren die Autonomie des Mediums, das wir Tanz nennen, und seine möglichen Artikulationen in anderen Medien.
Die Emanzipation vom Kunstdiskurs ermöglicht viel Freiheit, beispielsweise zur transversalen Kooperation und Produktion von sich überschneidenden Gemeinsamkeiten. Das Zeitgenössische des Tanzes hat zu tun mit der Produktion von neuen Zonen ‚im Zentrum’, von heterogenen Zusammenfügungen - von stets partikularen Kopplungen zwischen beispielsweise Musik, Bild und Bewegung, die ganz andere operative und perzeptuale Rahmen hervorbringen als jene, die uns aus interdisziplinären oder multimedialen Projekten vertraut sind. Es scheint manchmal, als würde der zeitgenössische Tanz heute nach einem neuen, synästhetischen, totalen Medium streben. Vielleicht endet aber auch die aktuelle Phase des ‚Kämpfens’ mit und zwischen unterschiedlichen Wahrnehmungsformen in einer anderen Bewegungssprache.
4.
Ein erweitertes Vokabular im Tanz hauchte der Choreografie in den 1980er Jahren frischen Atem ein. Fall, Bodenarbeit, Alltagsgesten, ruhiges und stilles Sitzen, unbewegtes Verharren ... wurden in kurzer Zeit zu den Zutaten, die man in einer zeitgenössischen Tanz-Performance erwarten durfte. Choreografie wurde auch mehr eine Sache der Dramaturgie. Die Sprache des Tanzes erweiterte sich, gleichzeitig erhöhte sich die Aufmerksamkeit dafür, wie sukzessive Bewegungen Bedeutungswolken schaffen kˆnnten oder eine expressive Kraft erwerben. Narrativität war Tabu im Licht der zu dieser Zeit dominanten postmodernen Trends der Fragmentierung. Eine Choreografie konnte durchaus stammeln und stottern, eine alberne Geschichte über Männlichkeit und Weiblichkeit erzählen. Postmoderner Tanz war postmoderne Choreografie, war poststrukturalistische Literaturwissenschaft. Tanz war Text, doch im Sinne Roland Barthes': eine Kette von Signifikanten, in denen Bedeutungen nur insistieren und sich nicht in eine eindeutige Botschaft verdichten.
Von den frühen 1990er Jahren an waren zahlreiche Vertreter des zeitgenössischen Tanzes sowohl von der Möglichkeit als auch von der Schwierigkeit der Darstellung der unterdrückten ‚Wahrheiten des Körpers’ fasziniert. Wieder gewöhnten wir uns rasch an die vielen Anspielungen - die brutale Realität blieb außer Sicht - auf Krankheit, Behinderung, Hässlichkeit ... (oder, wie man das damals gern nannte, ‚das Andere’). Zeigen war und ist jedoch immer auch Nicht-Zeigen: die öffentliche Repräsentation des Körpers auf einer Bühne impliziert notwendigerweise ihre De-Präsentation. In der visuellen Beziehung zum Zuschauer lösen sich die Bewegungen und Körper der Tänzer tatsächlich in ‚visuelle Körper’ auf. Auf der Bühne, gleichgültig, ob diese räumlich oder symbolisch markiert ist, ist der Körper nie er selbst, sondern er repräsentiert sich. Für den zeitgenössischen Tanz mag dies ein Aspekt von großer Wichtigkeit sein, denn an den ‚Wahrheiten des Körpers’ wird gezweifelt.
Zeitgenössischer Tanz bezieht sich nicht in erster Linie auf den Körper als solchen, sondern auf seine Repräsentation und auf die fragmentierten Kulturtexte, die unsere Körper artikulieren: Medizin, Werbung, Mode, TV, Sport, Pornografie ... Niemals wirkt er darum allein durch die autonome Dramaturgie der Performance. Das Interesse zeitgenössischer Tanzkünstler gilt daher eher dem ‚zur Repräsentation Werden’ des Körpers innerhalb eines nicht-steuerbaren Intertexts, innerhalb des Echos der ungezählten anderen Repräsentationen (des Körpers) im Kopf des Zuschauers. Gelingt diese Resonanz, mit oder ohne Videobilder, gerät der imaginäre Rahmen, diese dumpfe Kollektion großer und vor allem kleiner Phantasmen, die den Blick auf andere Körper strukturieren, ins Wanken. Der zeitgenössische Tanz heute ist Medientheorie ist angewandte Kognitionswissenschaft.
5.
Zeitgenössische Kunst fokussiert häufig die Mechanismen, die Wahrnehmung strukturieren. Zeitgenössischer Tanz will die Wahrnehmung ‚abnormalisieren’, sie stören, vorübergehend in Selbstzweifel stürzen. So geisterhaft sie in einer Tanz-Performance jedoch erscheinen mögen: Die wahrgenommenen Körperbilder bleiben immer mit der Unmöglichkeit des Zweifels an der materiellen Existenz ihrer Ursachen verbunden. Dies ist die spezifische Hyperrealität des zeitgenössischen Tanzes: Ihr „Lebendigsein“ (‚liveness’) gewährt die Glaubwürdigkeit einer immateriellen Stimmung oder Atmosphäre, die faktisch nur in den Nervenbahnen und im Kopf des Zuschauers existiert. Den Effekt erzielt manchmal nicht einmal David Lynch: Gutes ‚Live’-Kino ist nun einmal stärker als Kino.
Zeitgenössischer Tanz wählt das Medium der Re/Depräsentation des Körpers. Dieses Medium ist in Wirklichkeit ein ‚Mittleres’ oder ein ‚Dazwischen’. Es ist die Beziehung zwischen Bühne und Publikum, zwischen bewegten Körpern und ihrer Wahrnehmung. Dies ist ein ‚Sein’, das sich keiner Ontologie unterzieht, da es dem viel zu nah ist, was in Metaphysik und im Denken von Lainen als ‚Erscheinung’ verdammt wird. In diesem eigenartigen, geradezu bezaubernden Zwischenort, der die Bühne vom Publikum trennt, ändern Licht und Klang den Körper in intensive körperliche ‚Perzepte’: Bewegung wird Klang, Gesten beginnen zu singen, Videobilder verwirren das Kurzzeitgedächtnis der Fantasie ... Nichts ist, was es zu sein schien, denn alles existiert nur als perzeptuales Drama, als Theater der Sinne. Als Re/Depräsentation.
Die Option des Ungewissen Dialoges zwischen dem, was auf der Bühne geschieht und dem, was sich in der Wahrnehmung und Erinnerung des einzelnen Zuschauers abspielt, fesselt den zeitgenössischen Tanz unwiderruflich an die Kommerzkultur, die Typen und Stereotypen der audiovisuellen Massenkultur. Da diese durch das Publikum ins Theater mitgebracht werden, sind sie der Rahmen, innerhalb dessen der Zuschauer schaut und hört. Wir erkennen Bilder von Melancholie oder Glück dank Hollywood und diverser Werbeeinblendungen und auch dank der Melodien - selten der Texte - der Songs unverholen dramatischer Popbands oder Schlagersänger. Der zeitgenössische Tanz vermittelt und reinterpretiert die Darstellung des Körpers, mediale Sporen des affektiven Körpers, und will dabei manchmal sein primäres Medium dekonstruieren, testen, ob eine unbelastete Beziehung zum Zuschauer möglich ist. Noch häufiger optiert er jedoch für eine taktische Unterwanderung oder ein freudiges Spielen mit der omnipräsenten Welt kommerzieller Kultur oder der ‚Gesellschaft des Spektakels’. Der zeitgenössische Tanz ist von Vielfalt geprägt, auch, weil er die neue Lingua Franca spricht: Er erkundet die Gemeinsamkeit des ‚wir, die Massenmenschen’.
6.
Die neue Sprache ist faktisch ein Babel der Stile, Nischen, Trends, Geschmäcker, Subkulturen ... Das einzige, was diese Heterogenität immer noch zusammen hält, ist der bedeutungsfreie Verweis auf ein mediales Substrat, eine angenommene Körperlichkeit, die sich in ständigem Wandel darstellt. Darauf setzt der zeitgenössische Tanz. In den unterschiedlichen Formen der Kommerzkultur sucht er nach dem gewöhnlichen Menschen – nach Körper-Repräsentationen oder Fragmenten von diesen, die jeden Körper treffen könnten. Dies wird inspiriert vom Wunsch nach Verlagerung, dem Transport an einem anderen Ort, nach der Verfremdung des Evozierten. In einer zeitgenössischen Tanzproduktion können bekannte Darstellungen des Körpers daher plötzlich schmerzhaft, bissig oder schlicht bedeutungslos werden. Oder sie sind, ganz im Gegensatz dazu, intensiv bedeutungsgeladen, als wurde ein Bild der Einsamkeit, das man bereits tausend Mal gesehen hat, plötzlich selbst einsam und daher wieder überzeugend. Wie die besten Exempel der Bildenden Künste, des Films oder der Fotografie rettet der zeitgenössische Tanz singuläre Repräsentationen aus der Welt der kommerziellen Kultur durch eine stets singuläre Resonanz in Verweis auf genau diese Welt.
Wichtig ist auch die Erfindungsgabe, die durch den queren und oft innovativen Einsatz von Videokameras, Mischpulten und anderen technischen Mitteln, die heute die Sprache der Bits und Bytes sprechen, mobilisiert wird. Die Kommerzkultur ist nicht nur die Masse stereotyper Repräsentationen in den Massenmedien, sondern auch die unterschiedlichen Formen billiger neuer Medienausstattung. Wie ein bedeutender Teil der zeitgenössischen Kunst spielt auch der Tanz letztere gegen erstere aus. Ein wenig übertreibend könnten wir sagen: Die billigen, neuen Produktionsmittel des globalen Produktionskapitalismus werden kritisch gegen das Spektakel des globalen Konsumkapitalismus eingesetzt.
Der zeitgenössische Tanz zeigt ‚das zu (einer) Repräsentation Werden’ in einem Umfeld, in dem der Körper immer schon Millionen Mal repräsentiert wurde und nutzt dabei die Möglichkeiten der neuen Medien. Doch dies alles geschieht vor, ja dank unseren(r) Augen, in der Beziehung zwischen Bühne und Zuschauer. Das ist die Autonomie des zeitgenössischen Tanzes und gleichzeitig sein Zauber. Im Medium der Re-/De-Präsentation des Körpers implodiert der archaische Charakter des materiellen Körpers regelmäßig und wird zu einem Fluß, in dem Bilder, Klang, Licht und Dunkelheit unauflösbar miteinander verbunden in einem Loop verschmelzen. Jeder Erfolgsmoment in einer Performance des zeitgenössischen Tanzes erinnert, ohne daß dies beabsichtigt wäre, an die Schlußszene in Antonionis ZABRISKIE POINT.