Legende vom koketten Huhn
Emio Greco mit seinem Solo ‘Bianco’ im Mousonturm
Ein eleganteres Huhn hat man auf der Bühne wohl selten gesehen. Mit absoluter Selbstbeherrschung und klassischer Linienführung stolziert es - Brust raus und Hintern rein - selbstbewußt über die mit weißen Stoffbahnen ausgekleidete Bühne des Mousonturms, stößt fragende Laute aus und wackelt dabei kokett mit dem Kopf. Der italienische Tänzer Emio Greco, der unterstützt von dem Regisseur Pieter C. Scholten nach Engagements bei Jan Fabre und Saburo Teshigawara hier zum ersten Mal auch sein eigener Choreograph ist, wechselt die Tonarten und Stimmungen auf der Bühne wie andere Leute die Hemden. Hühner können weiß gefiedert sein, warum also nicht auch ein Huhn in einem Stück, das "Bianco" heißt.
"Zwischen Verstand und Bewegung – Weiß" lautet der komplette Titel von Grecos einstündigem Solo, das den Körper zwischen Kontrolle und Ausbruch in verschiedene Lagen bringt. Mit roten Ohrringen behängt, die er sich später in die Augen klemmt als seien sie durch Selbsterkenntnis Ödipus-gleich ausgestochen, markiert er zitternd Grundpositionen des klassischen Balletts. Für den glatzköpfigen Tänzer sind sie der Inbegriff der Körperbeherrschung, doch kommt dem armen Menschenkind auf der Strecke vom Hirn zu den Muskeln stets etwas dazwischen. Als Huhn hingegen, dem Instinkt alles, Verstand dagegen wenig ist, gelingt ihm die Ausfürung des Ideals mit der traumwandlerischen Sicherheit einer Kleist'schen Marionette.
In den sieben Teilen, jeweils getrennt durch Blackouts, durchmißt Greco den gesamtem Bühnenraum, streift dabei im vierten Teil sein weißes Kleid ab, um uns im fünften um fünf Minuten Pause für den Tänzer zu bitten, die er dann doch nicht einhält. Statt dessen bietet er uns ein kleines Drama der Rückenmuskulatur mit rollenden Schulterblättern, die sich in perfekter Symmetrie kontrollierter kaum bewegen könnten. Emio Greco ist ein überaus konzentrierter Tänzer von glasklarer Präzision, dem man bei seinen mitunter minutiösen Entfaltungen kleinster Bewegungen gerne zuschaut. Dennoch bleibt am Ende seines Solos, das zwei weitere Teile - "Rosso" und "Extra Dry" - zu einer Trilogie komplettieren sollen, der Eindruck merkwürdig gespalten. Vielleicht wäre zur notwendigen dramaturgischen Klärung und Unterscheidung des doch immer ähnlichen Bewegungsmaterials ein Martini nicht schlecht gewesen.
Abou Lagraa war drei Jahre lang Tänzer beim S.O.A.P. Dance Theatre, bevor er sich vor beinahe zwei Jahren entschloß, seinen eigenen Weg zu gehen. Mit seiner neuen Kompanie La Barka nach Frankfurt zurückgekehrt, zeigt der kleine Tänzer mit dem frechen Grinsen zusammen mit seiner Partnerin Aurelia Picot ein fünfzehn minütiges Duo. Als Auftakt für das Stück "Violatus" gedacht, lebt es sehr stark vom erotischen Verschleppen, Verlangsamen und Beschleunigen des Rhythmusses, mit dem sich das Paar annähert, symmetrisch gegenübersteht und mit ironisch abgehackten Bewegungen anspringt. Obwohl Lagraas und Picots Paarbeziehung wirkt wie auf Hochglanzpapier aufgezogen, findet sie doch ihren eigenen Atem und macht vor allem neugierig auf das komplette Stück.