Tanzkritik

SchwungBein 16 Dec 2006German

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Vor ziemlich genau zwei Jahren gab es an selber Stelle einen kleinen Skandal in Bezug auf Tanzkritik. Da hatte ein belgischer Tanzkritiker einen Berliner Tanzkritiker, einen Choreographen und eine Kuratorin zum Thema Tanzkritik in Berlin bzw. Deutschland befragt. Die Antworten waren zum Teil kritisch, was den in Berlin ansässigen Kritikern gar nicht gefiel. So machte einer von ihnen sehr harsche Worte öffentlich und auch Belehrungen darüber, dass Kritiker und Choreograph zwei unterschiedliche Berufe seien. Diese Stunde in Berufslehre war an mich gerichtet. Der Choreograph unter den drei Befragen und Zitierten war nämlich ich.

Damals hat mich diese Reaktion geärgert, und kurz darauf fand ich die ganze Situation ein wenig amüsant. Mir fiel auf, dass professionelle Kritiker ihr eigenes Wirken anscheinend nicht im öffentlichen Raum angesiedelt sehen, d.h. in einem Raum, der von vielen beobachtet wird, Reaktionen hervorruft und Urteile provoziert. Ein Raum, in dem Bühnenchoreographie und -tanz immer statt finden und sich sich so auch immer einer Beurteilung ausgesetzt sehen, manchmal auch einer professionellen in der Zeitung. Und das ist gut, denn als Choreograph möchte ich mit meiner Arbeit gesehen werden und Reaktionen hervorrufen, lieber positive als negative, aber das ist letztlich nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass ich als Choreograph die Kritiker brauche. Dass aber umgekehrt die Kritiker die Choreographen brauchen, scheint nicht immer oder zumindest nicht in aller (eben auch Beurteilung beinhaltender) Konsequenz voll im Bewusstsein aller professioneller Kritiker verankert zu sein.

In diesem Sinne ist es zu begrüßen, dass Felix Marchand diese erste Ausgabe seines Fanzines der Amateurkritik widmet. Denn ähnlich wie das Diktum der Judson Church Generation, jede Bewegung eines jeden Mensch könne Tanz sein, der Choreographie und dem Tanz neue und aufregende Felder eröffnet hat, kann vielleicht auch die These, jeder Mensch könne Tanzstücke sehen und beurteilen, der professionellen Tanzkritik neue Aspekte erschließen.